Ermüdungsanalysen
Dieses Dokument enthält Hintergrundinformationen zur Materialermüdung und beschreibt die bei einer Ermüdungsanalyse in Creo Simulate verwendeten Verfahren. Es behandelt die folgenden Themen:
Dehnungszyklen
Dieses Thema beschreibt den Effekt der mittleren Restspannung, die Erfassung der Hystereseschleifen und das Rainflow-Zählverfahren.
Faktoren, die die Ermüdungsfestigkeit beeinflussen
Zu diesen Faktoren gehören die Komponentengröße, der Lasttyp, die Oberflächengüte, die Oberflächenbehandlung (d.h. mechanische Behandlung, Beschichtung und Wärmebehandlung) und die Auswirkung der Oberflächenbehandlung auf die Dauerfestigkeit.
Die Gleichungslöser-Technologie, die in die Creo Simulate Ermüdungsanalyse integriert ist, stammt von nCode International. Für Ermüdungsanalysen ist eine Lizenz des Ermüdungsanalysen-Assistenten von PTC erforderlich.
Geschichte der Materialermüdung
Fast jede Komponentenkonstruktion enthält Bauteile, die veränderlichen oder zyklischen Lasten ausgesetzt sind. Diese Lasten erzeugen veränderliche oder zyklische Spannungen, die Brüche durch Materialermüdung verursachen können. Etwa 95 % aller Fälle von Materialversagen sind auf einen Ermüdungsprozess zurückzuführen.
Die bei einem Ermüdungsprozess entstehende Beschädigung ist kumulativ und im Allgemeinen nicht behebbar. Dafür gibt es mehrere Gründe:
Es ist nahezu unmöglich, während des Ermüdungsprozesses progressive Veränderungen im Materialverhalten festzustellen. Das Versagen tritt oft ohne Vorwarnung ein.
Ruhephasen ohne Ermüdungsspannung bewirken keine messbare Erholung oder Wiederherstellung des Materials.
Dass Holz oder Metall bricht, wenn man es mit einer großen Amplitude hin und her biegt, ist allgemein bekannt. Es zeigt sich jedoch, dass eine wiederholt einwirkende Spannung selbst dann zum Bruch führen kann, wenn die Spannungsamplitude deutlich innerhalb des elastischen Bereichs des Materials liegt. Als gegen Mitte des 19. Jahrhunderts auffällig oft Ermüdungsbrüche bei Eisenbahnachsen auftraten, begannen die Ingenieure, die Auswirkungen zyklischer Belastungen zu untersuchen. So wurde zum ersten Mal eine Vielzahl ähnlicher Komponenten in millionenfach wiederholten Zyklen einer Spannung ausgesetzt, die deutlich unter der monotonen Zug-Streckgrenze lag. Zwischen 1852 und 1870 gelang es dem deutschen Eisenbahningenieur August Wöhler, die erste systematische Untersuchung der Materialermüdung vorzubereiten und durchzuführen.
Einige der Wöhlerschen Daten beziehen sich auf Radachsen-Stahl von Krupp. Sie werden als spezifische Belastung (S) gegen die Anzahl der Zyklen bis zum Bruch (N) dargestellt (bekannt als S-N-Diagramm). Die Kurven in einem solchen Diagramm bezeichnet man als Wöhler-Linien.
Hinweis: 1 Zentner = 50 kg, 1 Zoll = 1 Inch, 1 Zentner/Zoll2 ~ 0,75 MPa
Etwa zur gleichen Zeit begannen andere Ingenieure, sich mit dem Problem von Brüchen zu beschäftigen, die auftreten, wenn veränderliche Lasten auf Brücken, Schiffe oder Generatoren einwirken. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts richtete sich das Interesse zunehmend auf das Verstehen der Ermüdungsprozesse, anstatt nur ihre Folgen zu untersuchen. Diese Bestrebungen führten in den späten 50er und frühen 60er Jahren zu zwei brauchbaren Ansätzen. Der erste basiert auf der linearen elastischen Bruchmechanik (LEFM = Linear Elastic Fracture Mechanics) und erklärt, wie Risse sich fortpflanzen. Der zweite Ansatz, die so genannte Coffin-Manson-Methode, erklärt mit Hilfe der lokalen Dehnung, wie ein Materialriss beginnt. Durch diese Einsichten sind Entwickler und Ingenieure heute in der Lage, ermüdungsresistente Komponenten zu konstruieren, die nicht mehr nur auf Erfahrungswerten beruhen. Vom praktischen Standpunkt aus betrachtet ist dieses Herangehen auch erheblich kostengünstiger.
Physik der Materialermüdung
Seit 1830 ist bekannt, dass Metall unter einer wiederholten oder veränderlichen Last bereits bei einer geringeren Spannung bricht, als es bei einmaligem Einwirken derselben Kraft der Fall wäre.
Das folgende Diagramm zeigt eine einzelne Komponente, die einer gleichmäßigen, sinusförmig schwankenden Kraft ausgesetzt ist. Nach einer gewissen Zeit zeigt sich in der Umgebung des Loches ein beginnender Riss. Der Riss pflanzt sich durch die Komponente fort, bis die intakten Bereiche nicht mehr in der Lage sind, die entstehenden Spannungen aufzunehmen. Die Komponente bricht.
Die physische Entwicklung eines Risses teilt man im Allgemeinen in zwei getrennte Phasen ein. Diese Phasen werden als Rissbildung (Phase I) und Risswachstum (Phase II) bezeichnet. Ermüdungsrisse beginnen durch die Einwirkung von Dehnungsenergie. Das folgende Diagramm zeigt, wie die Schubspannungen eine lokale, plastische Verformung entlang der Ebenen hervorrufen. Wirkt die Last sinusförmig ein, bewegen sich die Ebenen vor und zurück wie ein Päckchen Spielkarten. Auf der Kristallfläche zeigen sich kleine Aus- und Einbuchtungen. Diese Verwerfungen an der Oberfläche erreichen eine Höhe von ca. 1 bis 10 micron. Sie bilden das Anfangsstadium der zukünftigen Risse.
Ein Riss entwickelt sich auf die beschriebene Weise, bis er den Rand des Korns erreicht. Dann setzt sich der Vorgang übergangslos auf dem angrenzenden Korn fort.
Nachdem der Riss etwa drei Körner erfasst hat, ändert er die Richtung, in der er sich fortpflanzt. Das Wachstum in Phase I folgt der Richtung des maximalen Schubes (45° zur Lastrichtung). In Phase II ändert sich der physikalische Mechanismus, der dem Riss zugrunde liegt. Der Riss ist nun ausreichend groß, um eine geometrische Spannungskonzentration zu bilden. Wie das folgende Diagramm zeigt, entsteht an der Spitze des Risses eine plastische Zugzone. Nach diesem Stadium pflanzt sich der Riss senkrecht zur Richtung der angewendeten Last fort.
Wie bereits erwähnt, verläuft der physikalische Mechanismus für Ermüdungsrisse in zwei Phasen. Das Gleiche gilt für die konventionellen Analysemethoden. Phase I wird normalerweise mit Hilfe der lokalen Dehnung analysiert (E-N-Ansatz), während in Phase II ein Ansatz verwendet wird, der auf der Bruchmechanik beruht.
Eine umfassende Ermüdungsprognose könnte daher aus einer Kombination der beiden Methoden bestehen:
Gesamtlebensdauer = Lebensdauer bis zum Beginn des Risses + Lebensdauer vom Riss bis zum Versagen
Die meisten technischen Komponenten verbringen jedoch einen Großteil ihrer Zeit entweder in der einen Phase oder in der anderen. In diesem Fall ist es üblich, nur eine der Phasen zu berücksichtigen. Bei der Konstruktion von Bodenfahrzeugen wird die Lebensdauer beispielsweise meist nur bis zum Beginn eines Risses angesetzt. Die Komponenten sind relativ steif, die Materialien vorwiegend spröde. Sobald ein Riss begonnen hat, bleibt nur eine relativ kurze Zeit bis zum Versagen.
Im Gegensatz dazu werden Luftfahrzeuge aus flexiblen Komponenten gebaut, die aus biegsamen Materialien bestehen. Da Risse sich unter diesen Umständen relativ langsam fortpflanzen, werden hier normalerweise Ansätze verwendet, die auf der Bruchmechanik basieren.
Die Physik der Materialermüdung war in den Anfangsjahren kaum erforscht. August Wöhler betrachtete die Ermüdungsanalyse vom pragmatischen Standpunkt. Seine Methode wurde später unter der Bezeichnung "Ermüdungsanalyse unter spezifischer Belastung" (S-N-Analyse) bekannt. Die S-N-Analyse unterscheidet nicht zwischen den Phasen I und II. Sie stellt stattdessen eine Relation zwischen der spezifischen Belastung und dem Eintreten des Materialversagens her.
Obwohl die S-N-Analyse in der versuchsorientierten Ermüdungsanalyse nach wie vor weit verbreitet ist, hat sie für CAE-Anwendungen einen gravierenden Nachteil. Der Beginn einer Ermüdung wird durch lokale plastische Dehnungen hervorgerufen, während die S-N-Analyse von elastischen Spannungen ausgeht. Aus diesem Grund eignet sich die S-N-Analyse nicht für CAE-Analysen von Komponenten mit lokal verformbaren Bereichen. E-N-Analysen, die auf lokalen Dehnungen beruhen, stellen in diesem Fall die bessere Alternative dar. Die Ermüdungsanalyse von Creo Simulate verwendet die E-N-Methode.
Der E-N-Ansatz
Bei einer Ermüdungsprüfung werden sanduhrförmige Prüfkörper aus verschiedenen Materialien unterschiedlichen Arten zyklischer Lasten ausgesetzt. Dazu gehören z.B.geringfügige Biegung, Torsion, Spannung und Druck. Der E-N-Ansatz ermittelt anhand dieser Prüfungen die Ermüdungsfestigkeit. Das Ergebnis wird in einem E-N-Diagramm als Dehnung (E) gegen die Anzahl der Perioden bis zum Versagen (N) dargestellt. Die folgende Abbildung zeigt ein typisches E-N-Diagramm für einen niedrig legierten Stahl und eine Aluminiumlegierung.
Creo Simulate verwendet einen generischen Satz von Ermüdungseigenschaften, um niedrig legierte Stähle, unlegierte Stähle, Aluminiumlegierungen und Titaniumlegierungen im Modell darzustellen. Diese generischen Eigenschaften, die von Baumel Jr. und Seeger erarbeitet wurden, werden als Uniform Material Law (UML) bezeichnet. Obwohl diese Eigenschaften keine genauen und praxistauglichen Werte für die Ermüdungsfestigkeit liefern, eignen sie sich in idealer Weise dazu, die Wahrscheinlichkeit zu berechnen, mit der in einer Komponente ein Ermüdungsproblem auftreten wird. Bei einer hohen Wahrscheinlichkeit ist eine detaillierte Analyse erforderlich, bevor die Komponente in Produktion geht. Weitere Informationen zum Uniform Material Law finden Sie unter Materials Science Monographs, 61, "Materials Data for Cyclic Loading, Supplement 1."
Der folgende Abschnitt erläutert zwei Aspekte der Ermüdungstheorie, die für das Verstehen der Ermüdungsmessung durch den Ermüdungsanalysen-Assistenten wichtig sind:
Dehnungszyklen
Bevor Sie sich näher mit der E-N-Methode befassen, sollten Sie die drei verschiedenen Arten zyklischer Dehnung kennen, die zum Ermüdungsprozess beitragen. Die folgenden Diagramme und Erläuterungen beschreiben die einzelnen Dehnungstypen.
Die erste Abbildung zeigt einen rein wechselnden sinusförmigen Dehnungszyklus. Eine solche Lastbedingung findet man normalerweise in rotierenden Wellen, die bei konstanter Geschwindigkeit und ohne Überlastung laufen. Diese Art von Dehnungszyklus kommt bei den meisten Ermüdungsprüfungen zum Einsatz. Bei diesem Zyklus haben die maximale (max) und die minimale (min) Dehnung den gleichen Betrag, aber umgekehrte Vorzeichen. Dabei gilt die Zuglast als positiv, die Drucklast als negativ. Der Dehnungsbereich r ist die mathematische Differenz zwischen der maximalen und der minimalen Dehnung in einem Zyklus.
r = maxmin
Die Dehnungsamplitude a beträgt die Hälfte des Dehnungsbereichs.
a = r/2 = (maxmax) / 2
Die zweite Abbildung zeigt eine häufiger vorkommende Situation, in der sich die Beträge der maximalen und minimalen Dehnung unterscheiden. In diesem Fall sind zwei Zuglasten wirksam, aus denen sich für die zyklische Last ein mittlerer Versatz von m = (max + min) / 2 ergibt.
Wie bereits erwähnt, werden die einfachsten Ermüdungsdaten durch die Verwendung rein wechselnder Lasten gewonnen. Diese Daten sind jedoch für Dehnungszyklen mit einem mittleren Versatz ungleich Null (m 0) nicht direkt anwendbar. Um eine realistische Vorhersage für Dehnungszyklen mit Zug- oder Druck-Mittelspannung treffen zu können, müssen Prüfungsergebnisse, die mit rein wechselnden Lasten gewonnen wurden, korrigiert werden. Der geeignete Korrekturansatz hängt davon ab, ob es sich bei der Mittelspannung um eine Zug- oder um eine Druckspannung handelt.
Der Grund dafür wird aus dem folgenden Plot ersichtlich. Er zeigt schematisch den Effekt der Mittelspannung auf die Dehnungsfestigkeitskurve (E-N). Allgemein betrachtet wirkt die Zug-Mittelspannung öffnend auf den Riss, während die Druck-Mittelspannung ihn zu schließen versucht. Die Auswirkungen verdichten sich normalerweise am Ende des Diagramms, wobei die Lebensdauer bei Zug-Mittelspannung verkürzt und bei Druck-Mittelspannung verlängert wird.
Da die Prüfungen zur Berechnung der E-N-Kurven für einen Bereich von Mittelspannungen sehr aufwändig sind, wurden verschiedene empirische Regeln entwickelt, um die Effekte einer Mittelspannung in einem Modell abbilden zu können. Unter allen vorgeschlagenen Methoden haben sich mittlerweile zwei durchgesetzt:
Der Smith-Watson-Topper-Ansatz
Die Morrow-Korrektur
Bei Lastfolgen, die im praktischen Einsatz überwiegend als Zuglasten auftreten, empfiehlt sich der konservativere Smith-Watson-Topper-Ansatz. Tritt die Last überwiegend als Drucklast auf (besonders bei ausschließlichen Druckzyklen), liefert die Morrow-Korrektur wirklichkeitsnähere Werte. Creo Simulate verwendet beide Methoden. Die geeignete Methode wird automatisch ausgewählt. Weitere Informationen zum Smith-Watson-Topper-Ansatz finden Sie unter "A Stress-Strain Function for the Fatigue of Metals", Journal of Materials, Vol. 5, No. 4, 1970. Weitere Informationen zur Morrow-Korrektur finden Sie unter "Fatigue Design Handbook", Advances in Engineering, Vol. 4, Society of Automotive Engineers, 1968.
Die folgende Abbildung zeigt ein komplexes Lastmuster mit veränderlicher Amplitude. Dieses Muster kommt den zyklischen Spannungen näher, die sich in echten Strukturen ergeben.
Bei Lasten mit veränderlicher Amplitude müssen diejenigen Zyklen aus dem Signal extrahiert werden, in denen die Ermüdung eine Beschädigung verursacht. Anschließend wird die Beschädigung analysiert, die in jedem Zyklus entstanden ist. Die Gesamtbeschädigung ergibt sich aus der Summe der Beschädigungen in den einzelnen Zyklen. Die einzelnen Ermüdungszyklen werden durch einen Prozess extrahiert, den man als "Erfassung der Hystereseschleifen" bezeichnet. Das folgende Diagramm zeigt die Stellen, an denen Spannungen und Dehnungen auftreten.
Wenn eine Spannungs-Dehnungs-Hystereseschleife beendet ist, werden der Dehnungsbereich und die Mittelspannung zurückgegeben. Die Beschädigung, die mittels der E-N-Kurve berechnet wurde, wird an die Korrektur der Mittelspannung angeglichen. Diese Analyse wird über das gesamte Dehnungszeitsignal durchgeführt, bis alle Zyklen extrahiert sind und die Gesamtbeschädigung berechnet wurde. Ein besonders effizienter Algorithmus für die Extraktion von Zyklen ist das so genannte Rainflow-Zählverfahren. Dieser Algorithmus wird von Creo Simulate verwendet.
Creo Simulate bedient sich normalerweise einer linearen elastischen Lösung, um die pseudo-elastischen Dehnungen in einer Komponente zu berechnen. In anderen Worten: Die Lösung ignoriert die Verformbarkeit. Bevor die Ermüdungsanalyse fortgesetzt wird, werden diese Dehnungen mit Hilfe der Neuber-Regeln automatisch in nichtlineare, elastisch-plastische Dehnungen umgerechnet.
Faktoren, die die Ermüdungsfestigkeit beeinflussen
Wie bereits erwähnt, entsteht eine E-N-Kurve bei Dehnungsprüfungen, die mit sanduhrförmigen Prüfkörpern durchgeführt werden.
Eine standardisierte, rein wechselnde Ermüdungsprüfung dient dazu, eine E-N-Grundbeziehung für einen polierten Prüfkörper von ca. 6 mm Durchmesser zu ermitteln. Während die in dieser Prüfung gemessene Ermüdungs- oder Dauerfestigkeit durch 'e angegeben wird, gilt für eine Komponente in der Praxis ein niedrigerer Grenzwert (e), der Änderungen am Prüfkörper außerhalb des Labors wiedergibt. Besonders bei Stahl wird die Variation in e durch mehrere empirische Beziehungen verursacht, z.B.:
Komponentengröße, CGröße
Lasttyp, CLast
Der Effekt von Ausklinkungen, CAusk
Der Effekt der Oberflächengüte, COberfl < 1 (begünstigt Risswachstum)
Der Effekt der Oberflächenbehandlung, COberfl < 1 (wirkt Risswachstum entgegen)
Um diese Effekte zu berücksichtigen, werden normalerweise bestimmte Änderungsfaktoren auf das Prüfungsergebnis angewendet. Es ergibt sich:
e = 'eCAusklCGrößeCLastCOberfl......
Der Kehrwert des Produkts CAusklCGrößeCLastCOberfl ist allgemein als "Kerbwirkungszahl für Versagen" Kf bekannt:
Kf = 1 / (CAusklCGrößeCLastCOberfl......)
Denken Sie stets daran, dass alle Änderungsfaktoren empirisch, konservativ und im Allgemeinen nur auf Stahl anwendbar sind. Sie liefern nur Näherungswerte und erlauben wenig oder zumindest keinen grundlegenden Einblick in den Ermüdungsprozess selbst. Sie sollten vornehmlich in Bereichen eingesetzt werden, in denen ihre Anwendbarkeit gewährleistet ist.
In den folgenden Abschnitten erfahren Sie mehr über Faktoren, die die Ermüdungsfestigkeit beeinflussen:
Einfluss der Komponentengröße
Materialermüdung in Metallen entsteht durch die Bildung und das anschließende Wachstum rissartiger Schwachstellen unter dem Einfluss eines veränderlichen Spannungsfeldes. In der Theorie beginnt das Versagen beim schwächsten Glied (z.B. dem am günstigsten ausgerichteten Metallkristall) und pflanzt sich über weniger günstig ausgerichtete Körner bis zum endgültigen Versagen fort. Intuitiv würde man annehmen, dass mit dem Volumen des Materials, das der veränderlichen Spannung ausgesetzt ist, auch die Wahrscheinlichkeit steigt, nach kurzer Zeit ein schwaches Glied zu finden. Neuere Prüfungsdaten belegen tatsächlich die Existenz eines Größeneffekts besonders bei Biegung und Torsion.
Der Spannungsgradient, der durch den Schnitt hindurch aufgebaut wird, vereinigt bei einer dünnen Materialschicht mehr als 95 % der maximalen Oberflächenspannung auf sich (bei Biegung, weniger bei Torsion). In großen Schnitten ist der Gradient weniger steil als in kleineren Schnitten. Das Volumen des verfügbaren Materials, das eine kritische Schwachstelle bergen könnte, ist größer, was zu einer verminderten Ermüdungsfestigkeit führt. Bei axialem Zug fehlt der Spannungsgradient, und der Effekt ist nur gering. Der Wert für CGröße wird auf eine der folgenden Arten geschätzt.
Wenn der Durchmesser des Prüfkörpers weniger als 6 mm beträgt:
CGröße = 1
Wenn der Durchmesser des Prüfkörpers mehr als 6 mm und weniger als 250 mm beträgt:
CGröße = 1.189d-0.097
Der Größeneffekt spielt besonders bei der Analyse rotierender Wellen (z.B. Antriebswellen) eine wichtige Rolle.
In Situationen, in denen die Komponenten keinen kreisförmigen Querschnitt haben, berechnet die folgende Gleichung den äquivalenten Durchmesser däq für einen rechteckigen Schnitt unter Biegung mit der Breite w und der Dicke t:
däq2 = 0.65wt
Einfluss des Lasttyps
Ermüdungsdaten, die für einen bestimmten Typ von zyklischer Last ermittelt wurden (z.B. für axialen Zug), können so "korrigiert" werden, dass sie den Daten entsprechen, die sich bei einem anderen Lasttyp ergeben hätten (z.B. bei Torsion oder Biegung). Die standardisierte rotierende Biegeprüfung verlangt, dass Prüfungen unter den Bedingungen rein wechselnder Biegung durchgeführt werden.
Beim Übertragen auf eine andere Lastbedingung gelten für CLast in Verbindung mit der Dauerfestigkeite die folgenden Werte:
Gemessene Last
Ziellast
C Last
Axial
nach
Biegung
1.25
Axial
nach
Torsion
0.725
Biegung
nach
Torsion
0.58
Biegung
nach
Axial
0.8
Torsion
nach
Axial
1.38
Torsion
nach
Biegung
1.72
Aus der obigen Tabelle ergibt sich, dass eine Dehnung von e, die durch eine axiale Zuglast verursacht wird, einer Dehnung von 1.25e unter Biegelast entspricht.
Die Lastbedingungen wirken sich nicht nur auf die Dauerfestigkeit aus, sondern auch auf die Basquin-Steigung b, die verwendet wird, um die E-N-Kurve auf einer Log-Log-Skala auszugeben. Dieser Effekt wird normalerweise dadurch berücksichtigt, dass die Dehnung bei 103 Zyklen modifiziert wird ( 3), ebenso wie e. Der Änderungsfaktor für 3, C Last, wird mit Hilfe folgender Faktoren definiert:
Gemessene Last
Ziellast
C Last
Axial
nach
Torsion
0.82
Biegung
nach
Torsion
0.82
Torsion
nach
Axial
1.22
Torsion
nach
Biegung
1.22
Einfluss der Oberflächengüte
Materialversagen durch Ermüdung entsteht in den meisten Fällen an der Oberfläche einer Komponente. Aus diesem Grund stellen die Oberflächenbedingungen einen wichtigen Faktor für die Ermüdungsfestigkeit dar. Normalerweise vergleicht man verschiedene Oberflächenbedingungen mit polierten Standard-Prüfkörpern aus dem Labor. Kratzer, Beulen, Bearbeitungsspuren usw. beeinträchtigen die Ermüdungsfestigkeit durch zusätzliche Spannungen, die ebenfalls zur Rissbildung beitragen.
Das folgende Diagramm zeigt, dass mangelnde Oberflächengüte sich bei höherfesten Stählen negativer auswirkt als bei weichen Stählen. Aus diesem Grund hängt der Korrekturfaktor für die Oberflächengüte (COberfl < 1) eng mit der Bruchfestigkeit bei Zug zusammen. Hier wird die Oberflächengüte durch den Korrekturfaktor in qualitative Kategorien eingestuft, z.B. poliert, bearbeitet oder geschmiedet.
Beachten Sie, dass einige Kurven in der Abbildung neben der Oberflächengüte noch weitere Effekte zeigen. Die Kurven für geschweißte und warmgewalzte Oberflächen beinhalten beispielsweise auch den Effekt der Randabkohlung.
Andere Diagramme stellen den Korrekturfaktor für die Oberflächengüte auf quantitative Weise dar, indem sie eine Maßzahl für die Oberflächenrauheit verwenden (z.B. das quadratische Mittel RA oder das arithmetische Mittel AA). Das folgende Diagramm zeigt den Effekt der Oberflächenrauheit auf den Korrekturfaktor für die Oberflächengüte.
Die Werte für die Oberflächenrauheit bei verschiedenen Herstellungsprozessen sind der Fachliteratur zu entnehmen. Hier einige Beispiele:
Finish Typ der Oberflächengüte (Microns)
Oberflächenrauheit
Gedreht
2.67
Teilweise handpoliert
0.15
Handpoliert
0.13
Basis
0.18
Feinstbearbeitet
0.18
Grundiert und poliert
0.05
Qualitativer Einfluss der Oberflächenbehandlung
Wie die Oberflächengüte hat auch die Oberflächenbehandlung großen Einfluss auf die Ermüdungsfestigkeit, besonders auf die Dauerfestigkeit. Der tatsächliche Effekt einer solchen Behandlung besteht darin, dass die Restspannung auf der freien Oberfläche verringert wird.
Restspannungen treten auf, wenn eine plastische Verformung nicht gleichmäßig über den gesamten Querschnitt der verformten Komponente verteilt ist. In den obigen Abbildungen wird die Oberfläche einer Metallplatte durch Biegung verformt.
Zum Zeitpunkt T=1 wird das Biegemoment M1 angewendet, das im elastischen Bereich liegt.
Zum Zeitpunkt T=2 ist das Biegemoment auf M2 angewachsen, die Streckgrenze (Sy) ist erreicht, und die Oberfläche erfährt eine plastische Verformung.
Wird die externe Kraft entfernt, verhindern die plastisch verformten Bereiche, dass die angrenzenden elastischen Bereiche wieder ihre ursprüngliche Form annehmen. Die elastisch verformten Bereiche verharren auf diese Weise in einer Restspannung, während sich die plastisch verformten Bereiche in einem Zustand des Restdrucks befinden. Das Ergebnis ist die Spannungsverteilung zum Zeitpunkt T=3.
In vielen Fällen kann man die Restspannung wie eine Spannung behandeln, die von einer externen Kraft erzeugt wird. Die Druckrestspannung auf der Oberfläche einer Komponente verringert daher effektiv die Wahrscheinlichkeit eines Versagens durch Materialermüdung.
Die obige Abbildung zeigt die Überlagerung der angewandten Spannung und der Restspannung.
Die obere Darstellung zeigt die elastische Spannungsverteilung in einem Balken unter dem Biegemoment M ohne Restspannung.
Die mittlere Darstellung zeigt eine typische Restspannungsverteilung bei einer mechanischen Oberflächenbehandlung wie z.B. Kugelstrahlen. Beachten Sie, dass die Druckspannung an der Oberfläche durch eine äquivalente Zugspannung über das Innere des Querschnitts ausgeglichen wird.
Die untere Darstellung zeigt die Verteilung, die sich aus der Addition der angewandten Spannung (verursacht durch das Biegemoment M) und der Restspannung ergibt. Beachten Sie, dass die maximale Zugspannung an der Oberfläche durch die Restspannung verringert wurde. Außerdem liegt der Spitzenwert der Zugspannung nun im Balkeninneren. Der Betrag dieser Spannung hängt vom Gradienten der angewandten Spannung und der Verteilung der Restspannung ab. Unter diesen Bedingungen wird die Bildung eines Risses unter der Oberfläche möglich.
Die Oberflächenbehandlung wird allgemein in mechanische, thermische und beschichtende Prozesse unterteilt. In den ersten beiden Fällen ergibt sich eine Druckschicht. Im dritten Fall entsteht eine Zugeigenspannung. Die einzelnen Prozesse werden im Folgenden beschrieben.
Mechanische Behandlung – Die wichtigsten großtechnischen Verfahren zum Erzeugen von Druckeigenspannungen sind Walzen und Kugelstrahlen. Obwohl das Härten eine gewisse Veränderung der Materialstärke mit sich bringt, sorgt die Druckeigenspannung für eine verbesserte Ermüdungsfestigkeit. Das Walzen einer Oberfläche eignet sich besonders für große Teile. Es wird meist bei kritischen Komponenten wie Kurbelwellen oder den Auflageflächen von Eisenbahnachsen eingesetzt. Bolzen mit gewalztem Gewinde verfügen gegenüber konventionell hergestellten Bolzen normalerweise über die doppelte Ermüdungsfestigkeit.
Beim Kugelstrahlen wird die Oberfläche einer Komponente mit feinen Kügelchen aus Stahl oder Gusseisen beschossen. Das Verfahren eignet sich besonders gut für kleinere Teile, die in Massen hergestellt werden.
Wichtig ist, dass Kaltwalzen und Kugelstrahlen sich am deutlichsten bei einer langen Lebensdauer auswirken. Bei einer kurzen Lebensdauer haben die beiden Verfahren wenig oder keinen Effekt.
Wie bereits zuvor können auch hier Korrekturfaktoren eingesetzt werden, um durch Anpassen der Dauerfestigkeit e dem Effekt der mechanisch induzierten Druckspannungen Rechnung zu tragen. Beim Kugelstrahlverfahren liegt dieser Faktor normalerweise bei 1,5 bis 2,0.
Thermische Behandlung – Diese Prozesse beruhen darauf, dass sich Kohlenstoff ("Karburieren") oder Stickstoff ("Nitrieren") auf der Oberfläche einer Stahlkomponente verteilen und in diese eindringen. Die Atome der beiden Elemente verhalten sich interstitiell, d.h. sie besetzen die Räume zwischen benachbarten Stahlatomen. Dadurch erhöht sich die Stärke des Stahls, und die Druckeigenspannung auf seiner Oberfläche bleibt auch bei volumetrischen Änderungen erhalten.
Das Karburieren läuft normalerweise in drei Schritten ab:
Die Stahlkomponenten werden zusammen mit kohlenstoffhaltigen Festkörpern in Behälter eingeschlossen.
Die Behälter werden luftdicht versiegelt.
Die Behälter werden für eine Zeit, die vom benötigten Tiefegrad der Behandlung abhängt, auf etwa 900 Grad Celsius erhitzt.
Eine Alternative zu diesem Verfahren besteht darin, die Komponenten in Gegenwart eines heißen karburierenden Gases (z.B. Erdgas) in einem Schmelzofen zu erhitzen. Dieser Prozess erfordert weniger Zeit, und das Ergebnis ist präziser. Auf den Karburierungszyklus kann auch ein Diffusionszyklus unter Ausschluss des Karburierungsmittels folgen. Dadurch können einige der Kohlenstoffatome noch tiefer in die Komponente eindringen, und die Gradienten werden weiter reduziert.
Der Prozess der Nitrierung ähnelt der Gas-Karburierung, jedoch mit dem Unterschied, dass hier Ammoniak eingesetzt wird und die Temperaturen nicht so hoch sind. In der Regel bewirken 48 Stunden bei etwa 550 Grad eine Nitriertiefe von ca 0,5 mm. Die Nitrierung eignet sich insbesondere zur Behandlung nachbearbeiteter Komponenten mit Ausklinkungen wie Getrieben oder Führungswellen. Die folgende Tabelle zeigt die Wirksamkeit des Prozesses:
Dauerfestigkeit (MPa)
Geometrie
Nicht nitriert
Nitriert
Keine Ausklinkung
310
620
Halbrunde Ausklinkung
175
600
V-förmige Ausklinkung
175
550
Beschichten – Durch Beschichten mit Chrom und Nickel entstehen an der Oberfläche Zugeigenspannungen, die die Dauerfestigkeit von Stahlkomponenten deutlich erhöhen. Diese Zugeigenspannungen sind das unmittelbare Ergebnis des Beschichtungsprozesses. Wie bei mechanisch induzierten Oberflächenspannungen zeigt sich auch der Effekt der Beschichtung am deutlichsten bei Komponenten mit langer Lebensdauer und hoher Materialstärke.
Durch Aufbringen einer Druckeigenspannung vor dem Beschichten (z.B. durch Kugelstrahlen oder Nitrieren) lassen sich die nachteiligen Effekte des Verfahrens verringern. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Komponenten nach dem Beschichten zu härten und auf diese Weise die Spannungen zu verringern.
Quantitativer Effekt von Oberflächenbehandlungen auf die Ermüdungsfestigkeit (Stähle)
Der Effekt einer Oberflächenbehandlung hängt von der Oberflächengüte ab. Die folgende Tabelle verdeutlicht den Zusammenhang zwischen Dauerfestigkeit und Oberflächenbehandlung:
Zunahme der Dauerfestigkeit
Oberflächengüte
Kugelgestrahlt
Kaltgewalzt
Nitriert
Poliert
+15 %
+50 %
+100 %
Basis
+20 %
+0 %
+100 %
Bearbeitet
+30 %
+70 %
+100 %
Warmgewalzt
+40 %
+0 %
+100 %
Guss
+40 %
+0 %
+100 %
Geschmiedet
+100 %
+0 %
+100 %
Unabhängig von der Korrektur durch die Oberflächengüte zeigt eine Oberflächenbehandlung immer den Effekt, der in der obigen Tabelle angegeben ist. Wenn die Dauerfestigkeit beispielsweise durch eine Bearbeitung um 30 % herabgesetzt wurde, zeigt die Tabelle, dass Kaltwalzen diesen Verlust mehr als ausgleicht, indem die Dauerfestigkeit um 70 % erhöht wird.
War dies hilfreich?